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Der Spinnenmann

(aus: Wetzlar für Quereinsteiger)

Ich bin immer wieder hin & her gerissen bezüglich des stattlichen Stadthauses, das den ansonsten
makellosen Domplatz entstellt. Zum Ziele einer fundierten Meinungsbildung griff ich auf
die Expertise meines Jugendfreundes Spiderman zurück. Ich darf vorwegschicken, dass der - völlig
unerwartet - zu einer geharnischten, sportlich-ambitionierten Architekturkritik ausholt.





Wanderers Lust

Im Vorgriff auf seine spätere geheimrätliche Tätigkeit werden ihm (und der hiesigen Industrie) bereits gewisse Heimlichkeiten unterstellt.





Herman, bekennender Esel, ist inzwischen vollwertiger Wetzlarer.
Ganz reibungsfrei verlief seine Einbürgerung allerdings nicht:

Herman hält Hof

Herman steht voll auf Orange [O:range]
und meist nah am Schillerplatz.
Früher ihm wurd' schon mal bange
wegen der auf ihn angesetzten Hatz.

Herman ist anders als and're Esel.
Er ist was Besond'res, er kommt aus Wesel.
[Dies allein eigentlich Anlass genug zu wiehern.
Doch Herman tut sowas nicht. Stattdessen schweigt er ehern].

Herman braucht rein gar nichts zu machen,
außer möglichst ruhig dazusteh'n
und nichts unter sich fallen zu lassen.
Hierzu hat er - glücklicherweis' - ein ausgeprägtes Talent.

Ist auch sonst ziemlich leicht in der Pflege,
da ganz er aus schimmerndem Kunststoff besteht, sogar seine Atemwege....
[Die Erkenntnis ist doch nun wirklich zum Brüllen.
Doch Herman tut auch sowas nicht. Er schweigt sich stattdessen in Hüllen].

Was er dennoch wurd' ist ziemlich schnell erzählt:
Ein Dorn im Auge der Obrigkeit. Man ahnt es schon: Oh Jammer, Oh Weh!
sobald er vor seinem Stamm-Café
den ihm eigentlich gebührenden Standort gewählt.

Versuche ihn von dort zu verscheuchen
ließen nur aufmüpfig' Winde seinem mächtigen Leibe entfleuchen.
Darauf höchstauthoritätlich verkündet das Amt
- streng darauf achtend, dass der Esel auch alles verstand -
er dürfe auf gar keinen Fall dort steh'n... (wo er nun mal am liebsten stand).

Solch unsittlich' Ansinnen nun quittieren
von all den uns bekannten Tieren
selbst die stoischsten der Esel,
egal ob aus Kabul oder Wesel,
mit der ihnen eigenen Gelassenheit.
Will sagen, es ging Herman so ziemlich glatt am Arsch vorbei.
Allein seine Ohren blieben gespitzt, Zeichen erhöhter Wachsamkeit.

Da nun ja beide männlich, war'n Esel und des Amtes Schimmel
hier nicht zur Deckung zu bringen.
Es lief hinaus auf Konfrontation von Kopf bis - ja - zum Pimmel
in beständig zähem Ringen.

Etliche Geschäftsleut' waren bereit dem Esel Asyl zu gewähren,
vor dem eig'nen Geschäft, selbst angekettet, um ganz sicher seinen Ruhm zu mehren.
Welch' Solidarität, gepaart mit demonstrativer Empörung!
All dies wegen einem Grautier aus Plastik mit markanter Pigmentstörung...

Und Herman legte nach um zu überwinden den langwährenden Zoff.
Freunde wie Gegner wollt' er nun erfreu'n
mit einem gar lustig machenden Stoff,
auf das alle stets gut droff war'n, bis hin nach Biskirchen und Leun.
Gewappnet die Bierflasch' mit seinem Konterfei, ganz wunderschön im Riss,
neugierig-stolz in knall-orange vor sattsam bekannter Altstadtkuliss'.

Und so erwarb sich Herman sein ständiges Aufenthaltsrecht.
In seinem Stadtstall, wohnzimmergleich, Samt-Sofa und samt Uhr.
Dazu an seinem Lieblingsplatz, was ihm war mehr als recht.
[Ein freudig-erregtes Ih-Ah - sagen Einige! - ihm dann doch überraschend entfuhr].

Zu gegebenem Anlass hält Herman hier nun Hof,
bei geöffnetem Fenster seiner Residenz.
Weil er's doch liebt - solang's nicht allzu doof -
dem beruhigenden Gebrassel, Gesülz & Geschlenz
der Bier-Seligen auf der Gass' zu lauschen.
Glücksgefühl-Tsunamis lassen ihm dann die Sinne rauschen.

Nur - auch dies im Unterschied zu den meisten anderen Eseln -
er weiß, dass Unauffälligkeit ist oberstes Gebot, zumal bei Eselswesen,
vor allem wenn du mächtig groß und farblich-grell im Schaufenster bist ausgestellt
wie an Amsterdamer Grachten kronleuchterlich erhellt.

Herman, ganz bekennender Esel, trotz und bei allem schweigt, genießt.
Den nächsten Coup schon er geplant, da sind wir uns gewiss.
Keine Regung verrät ihn zwar, indes
der Esel hat schon viele verladen mit seinem Pokerface.....

Wetzlar, Juni 2013


Wasserspielchen

(aus: Wetzlar für Quereinsteiger)

Von ausgeprägter Flexibilität zeugt die Tatsache, dass sich unser Goethestädtchen einen
Schillerplatz leistete, ausgerechnet dort wo der Werther seinen Anfang nahm. Im Laufe der
Zeit wurde dem Autoverkehr hier so ziemlich alles leichtfertig geopfert, was nach heutigen
Maßstäben im Stadtbild erstrebenswert wäre, nämlich Bäume und Wasser. Im Folgenden die
Seelenlage eines verschütteten Baches mit durchaus Zukunftspotenzial. Was unserem
Dichterfürsten nebst Dichter-Cofürsten sicherlich gefallen würde.



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